Zum Unterlassungsanspruch wegen nächtlichem Hundegebell

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 11. Januar 2007 – 5 U 152/05

Zum Unterlassungsanspruch wegen nächtlichem Hundegebell

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. Oktober 2005verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 3 O374/03 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweiseabgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen vorzunehmen,die gewährleisten, dass von dem auf seinem Grundstück gehaltenenSchäferhund V. wochentags und an Sonn- und Feiertagen in der Zeitvon 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr keine wesentlichen lautstarkenLärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die dasEigentum der Klägerin an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihreGesundheit beeinträchtigen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten einOrdnungsgeld in Höhe von bis zu 5.000 € angedroht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinanderaufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Parteien sind seit 2001 benachbarte Grundstückseigentümer in der G.straße in G. .Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Schäferhund, dessen Gebell Gegenstand des Rechtsstreits ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts bellt der Hund des Beklagten morgens vor sechs Uhr, wenn die Zeitung gebracht wird, und wenn der Lkw des weiteren Nachbarn der Klägerin, des Brunnenbauers R., am Grundstück der Klägerin vorbei auf sein Gewerbegrundstück fährt. Der Hund bellt auch, wenn die Post oder Paketdienste – normalerweise mittags – erscheinen. Gemäß Protokoll des Landgerichts vom 21. September 2005 über die Einnahme richterlichen Augenscheins bellte der Hund des Beklagten, wenn jemand die Garageneinfahrt betrat und auf ihn zulief, wobei er allerdings nur kurz anschlug und nicht sonderlich laut bellte.

Die Klägerin hat unter Aufzählung zahlreicher Störungen in dem Zeitraum von März 2004 bis Juni 2005 (unter anderem, neben einem Schadensersatzantrag) beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dass wochentags in der Zeit von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ganztags durch den auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V. wesentliche lautstarke Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die das Eigentum der Klägerin an ihrem Grundstück, dem Besitz der Klägerin und ihre Gesundheit beeinträchtigen und für jeden Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld anzudrohen.

Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Parteien in einem Mischgebiet wohnen und in der Nachbarschaft weitere Hunde gehalten würden. Sein Hund schlage in Ruhezeiten und nur ausnahmsweise an und das schon gar nicht in Form von Dauergebell sowie Bellattacken.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen sowie Einnahme richterlichen Augenscheins die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es sei zwar unstreitig, dass der Schäferhund des Beklagten belle. Der Beklagte habe jedoch bewiesen, dass das Bellen seines Schäferhundes V. aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittnutzers noch keine wesentliche Beeinträchtigung darstelle, vielmehr ortsüblich sei. Die Hundehaltung sei in der unmittelbaren Nachbarschaft der Parteien ortsüblich, auch die Klägerin habe selbst bis 2002/2003 einen Hund gehalten. Der Hund des Beklagten belle auch nicht mit einer Intensität, die die Grenze des Ortsüblichen oder Unzumutbaren überschreite. Im Ortstermin habe der Hund des Beklagten auf den an dessen Grundstück vorbeigehenden Richter überhaupt nicht reagiert und erst als sämtliche bei dem Ortstermin anwesenden fünf Personen über die Einfahrt unmittelbar auf den am Zaun liegenden Hund des Beklagten zugegangen seien, habe dieser durch zwei- bis dreimaliges Bellen angeschlagen, jedoch auf Ansprache des Beklagten sofort aufgehört zu bellen. Der Hund habe auch gebellt, als der Richter allein über die Einfahrt des Beklagten unmittelbar auf den Hund zugegangen sei, jedoch aufgehört, als der Richter das Grundstück verlassen habe. Auch auf das Vorbeifahren eines Pkw – gefahren vom Wachtmeister – und auf das Vorbeifahren eines Zuges über die 50 m entfernt liegenden Gleise habe der Hund nicht reagiert. Danach sei lediglich feststellbar, dass der Hund des Beklagten zwar belle, dies jedoch nur kurz und nicht sonderlich laut. Eine Bellattacke, wie von der Klägerin als regelmäßige Reaktion des Hundes behauptet, habe nicht stattgefunden. Dies könne auch nicht dem von der Klägerin gefertigten Video entnommen werden. Auf dem Video sei nur zu sehen bzw. zu hören, dass der Hund in der Nacht oder zu sonstigen Ruhezeiten, auf die sich der Antrag der Klägerin beschränke, in der Regel auf vorbeifahrende Autos oder Fußgänger gar nicht reagiere und auf die Zeitungsbotin mit etwa fünfmaligem Bellen. Am 1. Juli um 6:19 Uhr, am 3. Juli um 4:59 Uhr, am 8. Juli um 6:25 und 6:37 Uhr sowie am 18. Juli 2003 um 7:07 Uhr, habe der Hund bis zu fünfmal ohne erkennbaren Grund gebellt. Am 14. August 2003 habe er um 6:46 Uhr als Reaktion auf das Herannahen des Lkw des Herrn R. gebellt. Insgesamt sei auf dem Video nur ein Anschlagen des Hundes festzustellen, nicht aber eine Bellattacke, also ein längeres Bellen von bis zu zehn Mal. Eine solche sei nur einziges Mal am 5. Juli 2003 um 14:00 Uhr auf dem Video festgehalten worden. Da habe der Hund ca. dreißig mal gebellt, bis die Zustellerin der Post geklingelt habe, und mit dem Bellen erst wieder aufgehört, als sich die Zustellerin zurück in Richtung Straße begeben habe. Dabei handele es sich nach dem Eindruck der Kammer um eine Ausnahme. Soweit die Zeugen I. und S. Sch. bekundet hätten, dass der Hund des Beklagten ständig und dauerhaft sowie über einen längeren Zeitraum hinaus und zwar auch ohne jeglichen Grund insbesondere zur Nachtzeit belle, so hätten demgegenüber die Zeugen S. und E. F. sowie J. und D. N. übereinstimmend bekundet, dass der Hund des Beklagten aktuell noch wesentlich weniger belle als auf dem Video ersichtlich. Der Hund schlage so gut wie gar nicht an, insbesondere störe er nicht die Nachtruhe oder die Ruhe an Sonn- und Feiertagen. Nach alledem könne das Landgericht nach der Beweisaufnahme nur zu der Überzeugung gelangen, dass der Schäferhund des Beklagten nur ganz ausnahmsweise mehr als bis zu fünfmal belle und dass der Hund – wenn überhaupt – durch bis zu fünfmaliges Bellen anschlage. Das gehe über das für einen verständigen Durchschnittsnutzer des klägerischen Grundstücks zumutbare und ortsübliche Maß nicht hinaus.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung sowie fehlerhafte rechtliche Würdigung rügt.

Die Klägerin rügt, dass das Landgericht den Begriff der Wesentlichkeit verkannt habe. Hierzu verweist sie auf erstinstanzlich vorgelegte Messprotokolle der Funktechnik G. vom 15. Juli 2003 wonach die Lautstärke des Hundegebells zum Messzeitpunkt vom 8 m entfernten und angeklappten Küchenfenster der Klägerin aus 99,6 dB betragen habe und auf Ergebnisse erstinstanzlich vorgelegter dB-Messungen durch den Arbeitsmedizinischen Dienst G. mit Einzelentnahmespitzen bis zu 80 dB. Das Landgericht, so meint die Klägerin, habe sich mit den Ergebnissen dieser Messprotokolle auseinandersetzen müssen. Im Übrigen folge aus einer Zusammenschau landesrechtlicher Vorschriften, dass tägliche Ruhezeiten, Sonn- und Feiertage ganztags sowie nachts von 22:00 Uhr – 7:00 Uhr, besonders schützenswert seien. Während der Tageszeit entwickelter Lärm durch Hundegebell entfalte nicht dieselbe Beeinträchtigung wie solcher in den Ruhezeiten, da dann die vorhandene Geräuschkulisse fehle. Hätte das Landgericht dies beachtet, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Lärmbeeinträchtigung wesentlich sei. Erst dann hätte es überhaupt auf die Ortsüblichkeit der Lärmbeeinträchtigung eingehen dürfen. Dabei hätte es jedoch berücksichtigen müssen, dass es einem Hundehalter wirtschaftlich zumutbar sei, seinen Hund zu den Ruhezeiten im Hause zu halten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2005 – 3 O 374/03 – abzuändern

und den Beklagten zu verurteilen, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die gewährleisten, dass von dem auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V. wochentags in der Zeit von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ganztags keine wesentlichen lautstarken Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die ihr Eigentum an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihre Gesundheit beeinträchtigen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, dass in den vorgenannten Zeiträumen durch den auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V. wesentliche lautstarke Lärmbeeinträchtigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die ihr Eigentum an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihre Gesundheit beeinträchtigen,

und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vom Landgericht getroffenen Feststellungen verwiesen.

II.

1. Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 ff. BGB). Die Klägerin verfolgt mit ihrem neuen Hauptantrag auch eine erstinstanzliche Beschwer, indem sie ihren Antrag nunmehr sprachlich konkreter fasst. Erstinstanzlich und mit dem weiterverfolgten Hilfsantrag verlangt sie, dass der Beklagte es zu verhindern habe, dass von seinem Hund Lärmbeeinträchtigungen ausgehen, indem er, der Beklagte, verurteilt werden solle, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die gewährleisten, dass von dem Hund keine wesentlichen lautstarken Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen. Dies ist auch das Ziel ihres Hauptantrags.

2. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen nächtliches Hundegebell wehrt.

Anspruchsgrundlage ist § 1004 i. V. m. § 906 BGB. Nach dem unstreitigen Sachverhalt und auch auf Grund der erstinstanzlich erhobenen Beweise ist davon auszugehen, dass von dem Grundstück des Beklagten in der Vergangenheit in Folge des von ihm dort gehaltenen Hundes Belästigungen ausgegangen sind, durch die die Klägerin in der Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt worden ist und die sie nicht hinnehmen muss, weil sie die Wesentlichkeitsgrenze des §§ 906 BGB übersteigen.

Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Hund. Dieser Hund bellt. Bei einem Hundegebell handelt es sich um Geräusche, die generell störend sein können und damit um Emissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB darstellen.

Im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die tagsüber (16:00 Uhr) stattgefunden hat, schlug der Hund durch zwei- bis dreimaliges nicht sonderlich lautes Bellen an, als sich sämtliche beim Ortstermin anwesende Personen (fünf) über die Einfahrt unmittelbar auf den am Zaun liegenden Hund zu bewegten. Der Hund bellte auch, als der Richter allein über die Einfahrt des Beklagten unmittelbar auf den Hund zuging und hörte erst auf, als er das Grundstück verließ. Eine Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Videos durch das Landgericht ergab, dass bis auf eine Ausnahme, der Hund des Beklagten, wenn überhaupt, dann mit etwa fünfmaligem Bellen reagierte. Für den 5. Juli 2003, 14:00 Uhr ist auf dem Video festgehalten, dass der Hund ca. 30mal bei einer Postzustellung und zwar solange bellte, bis sich die Zustellerin zurück in Richtung Straße begab. Derartiges Gebell soll nach den Bekundungen der Zeugen I. und S. Sch. die Regel sein, während nach den Bekundungen der vom Beklagten benannten Zeugen S. und E. F. sowie J. und D. N. der Hund des Beklagten so gut wie gar nicht anschlage, insbesondere nicht die Nacht- oder die Sonn- und Feiertagsruhe störe.

Nach diesen vom Landgericht getroffenen Feststellungen bellt der Hund dann, wenn jemand das Grundstück des Beklagten betritt und, wenn er nicht von dem Beklagten beruhigt wird, solange, bis die Person das Grundstück wieder verlässt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Video, aber auch aus den Bekundungen der Zeugen I. und S. Sch., S. F., E. F., J. N. und D. N., dass der Hund bellt, wenn sich der Nachbar R. morgens zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr mit seinem Pritschenwagen nähert.

Danach ist jedenfalls für die nächtlichen Ruhezeiten von einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung auszugehen, die als “Bellattacke” anzusehen ist, auch wenn dem Landgericht das Bellen nicht sonderlich laut erschien. Denn es geht um die allgemein geschützte Nachtruhe, also um Zeiten, zu denen werktägliche Hintergrundgeräusche, wie sie normalerweise in einem Mischgebiet vorhanden sind, wie etwa der alltägliche Autoverkehr fehlen, so dass schon deswegen die Wirkung einer Lärmquelle erhöht ist. Zudem wirkt sich derartiger auch kurzfristiger Lärm zu diesen Zeiten ohnehin besonders störend aus. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob Geräuschemissionsrichtwerte überschritten werden. Auch Geräuschemissionen unterhalb eines bestimmten Lärmpegels werden danach, was ihre Erheblichkeit und Zumutbarkeit angeht, entscheidend von wertenden Elementen wie solchen der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz mitgeprägt (Bundesverwaltungsgericht DV Bl. 1976, 779; 1987, 907). Geräusche, welche die Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sich ziehen, wie vorliegend Hundegebell zu nächtlichen Ruhezeiten, sind eine störende Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB auch dann, wenn sie diejenige Phonstärke nicht überschreiten, bei der Verkehrs- und Industriegeräusche noch hinnehmbar sind; sie beeinträchtigen schon bei einer Lautstärke, mit der sie sich in das Bewusstsein desjenigen drängen, der sie nicht hören will. Zu diesen Geräuschen, die nach ihrer Art den unfreiwillig Hörenden in besonderem Maße beeinträchtigen gehört – neben unerwünschter Musik auch Hundegebell (OLG Hamm AgrarR 1989, 312, 313) insbesondere zu Ruhezeiten.

Jedenfalls was die nächtlichen Ruhezeiten angeht, muss die Klägerin nach alledem das störende Hundegebell nicht nach § 906 Abs. 1 BGB als nur unwesentliche Beeinträchtigung hinnehmen. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass das Grundstück der Beklagten in einem Mischgebiet liegt. Denn auch in Mischgebieten sind nächtliche Ruhezeiten einzuhalten. Schließlich ist es dem Beklagten auch zuzumuten, den Hund in den nächtlichen Ruhezeiten – etwa durch Unterbringung im Haus – so zu halten, dass sein Gebell die Klägerin nicht stört.

Hat danach die Klage, was die Nachtzeiten angeht, Erfolg, gilt dies nicht in gleicher Weise, soweit die Klägerin derartige Ruhestörungen auch für die Sonn- und Feiertage sowie die Mittagsruhe zu unterbinden verlangt. Da Sonn- und Feiertags keine Post ausgetragen wird und auch der Betrieb des Brunnenbauers der Sonntagsruhe unterliegen dürfte, sind Störungen zu dieser Zeit nicht feststellbar. Gleiches gilt für die Mittagsruhe, da gemäß den Feststellungen des Landgerichts zu dieser Zeit wegen der in einem Mischgebiet vorhandenen Hintergrundgeräusche das Hundegebell nicht sonderlich auffällt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 92, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 15.000 €.

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